
Impressionen
vom Parlament der Weltreligionen
Barcelona,
7.-13. Juli 2004
Liebe Freunde, Mitarbeiter des Unitheum und "Peacemakers",
zurück aus Barcelona, vom Parlament der Weltreligionen,
wo ich das Unitheum, ein internationales interreligiöes Projekt
für den Frieden zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen,
vertreten habe, möchte ich Euch an der dortigen Stimmung teilhaben
lassen, die einen Ausblick auf eine mögliche "liebe- und lichtvolle
Welt mit wunderbaren Menschen" gab.
 |
Das Parlament der Weltreligionen
ist die einzige Veranstaltung dieser Art. Sie will Menschen aus
allen Bereichen der Welt, die sich dem Frieden, dem Verständnis
und der internationalen Interfaith-Bewegung verpflichtet fühlen,
inspirieren, herausfordern und Energie geben. Repräsentanten
der verschiedenen Glaubensrichtungen rund um den Globus kommen
zusammen, um "Harmonie zwischen den Weltreligionen und spirituellen
Gemeinschaften zu entwickeln, ihr Engagement gegenüber der
Welt und ihren anderen führenden Institutionen zu pflegen,
um eine friedvolle, gerechte und sich gegenseitig unterstützende
Welt zu erlangen." Diese Atmosphäre war sehr stark spürbar
und nährt die Hoffnung auf eine friedevolle Welt, in der
jeder schaut, was der andere braucht.
|
Das Thema des Parlaments in diesem Jahr war "Pfad
zum Frieden: Die Weisheit des Hörens, die Kraft der Verpflichtung/Engagements".
Das Parlament findet alle 4 Jahre auf einem jeweils anderen Kontinent
statt.
8000 Menschen aus 73 Länder und unzähligen spirituellen Traditionen
kamen zusammen und mehr als 350 Programmpunkte, wie Workshops, Ansprachen,
Filme, Dialoge, Gesprächskreise, spirituelle Praktiken und Gebete,
regionale Treffen und andere Events, schufen in diesen 7 Tagen eine
Atmosphäre von gegenseitigem Wahrnehmen, Verständnis und liebevollen
Umgang mit-einander. Die Liebe, die man hier so offensichtlich erfahren
durfte, wird Auswirkungen auf den Alltag der verschiedenen religiösen
Gemeinschaften haben.
Das Parlament dauerte 7 Tage, doch leider konnte ich aus finanziellen
Gründen nur an 2 ½ Tagen teilnehmen. Der halbe Tag wurde
dem Unitheum spontan von zwei Amerikanerinnen dort geschenkt.
Zum Universellen Gottesdienst, gestaltet
von einer Gruppe aus den USA, einer der vielen Morgenveranstaltungen,
kam eine Gruppe von weit über hundert Menschen zusammen, in einem
Raum, der eigentlich nur für 70 Personen gedacht war. Da wurde
wieder einmal die Anziehungskraft des Universellen Gottesdienstes deutlich:
Es gab etwa 20 verschiedene morgendliche Einstimmungen in die heiligen
Gebräuche verschiedenster religiöser Ausrichtung, die gleichzeitig
angeboten wurden und der Universelle Gottesdienst war bei weitem die
bestbesuchteste von ihnen. Unter den Besuchern waren Repräsen-tanten
aus dem Hinduismus, Buddhismus, Judentum, Christentum und dem Islam
(die Religion Zarathustras veranstaltete ein Parallel-programm, doch
sie sandten ihre besten Wünsche). Viele waren tief bewegt von dem
Gottesdienst, den die meisten Teilnehmer das erste Mal erlebten.
Am Nachmittag wurde Pir
Vilayat Inayat Khan (postum) und Hans
Küng der "Juliet-Hollister-Award" vom "The
Temple of Understanding" für ihr globales interreligiöses
Lebenswerk verliehen. Hans Küng hielt eine lebendige mitreißende
Ansprache, in der er seinen Weg hin zur Stiftung Weltethos beschrieb.
Die Auszeichnung für Pir Vilayat wurde an seiner statt von
seiner Frau Mary entgegengenommen. Zahir Röhrs, sein Generalsekretär,
hielt eine wunderschöne klare Ansprache, in der er
|
 |
einfühlsam von Pir Vilayats
Leben erzählte. Was am meisten bewegte, war, wie tief Pir
Vilayat von so vielen Menschen geliebt wurde. Als wir vor einigen
Jahren bei Carl Friedrich von Weizsäcker
zu Besuch waren, um ihm das Projekt Unithem vorzustellen,
betonte er die Wichtigkeit der beiden "Säulen",
die für das friedvolle Zusammenleben der unterschiedlichen
geistigen Traditionen seiner Meinung nach notwendig seien: Dialog
und spirituelle Erfahrung. Mit der Verleihung des "Juliet-Hollister-Awards"
an Hans Küng und Pir Vilayat Inayat Khan wurden diese beiden
Aspekte gleichwertig gewürdigt.
|
Viele bedeutende Persönlichkeiten aus dem interreligiösen
Bereich haben ihre schriftliche Befürwortung zugesagt und Menschen,
die Verbindung zu übergeordneten Organisationen oder Personen sein
wollen, haben ihre Hilfe angeboten, um das Unitheum weiter bekannt zu
machen. Außerdem gab es noch viele Kontakte zu Privatpersonen
aus verschiedenen Ländern, Kulturen und Glaubensgemeinschaften,
die die Information weitergeben werden, ebenso einen Austausch von Informationsmaterial
zwischen gleichgesinnten Organisationen. Der erste Teil der Arbeit für
das Netzwerk ist getan. Nun können wir nur noch abwarten und darum
bitten, dass die gelegten Samen aufgehen und Blüten und Frucht
bringen mögen.
Immer wieder wurde ich gefragt: in welcher Veranstaltung, an welchem
Informationsstand wird das Unitheum vorgestellt; wo kann man mehr darüber
hier beim Parlament erfahren. Leider haben wir erst recht spät
von der Existenz dieser Veranstaltung erfahren und außerdem fehlten
Finanzen und Mitarbeiter, die das Ganze mit getragen hätten. Vielleicht
können wir das Unitheum in vier Jahren besser repräsentieren.
Was ich erstaunlich fand, war auch, dass in den Medien außerhalb
von Spanien wohl kaum oder gar nicht vom Parlament der Religionen berichtet
wurde. Die "breite Öffentlichkeit" weiß dadurch
gar nichts von dieser wunderbaren Keimzelle für den Frieden in
der Welt.
Mich fragte jemand, welche Begegnung die wichtigste für mich gewesen
sei. Da fielen mir sofort ganz verschiedene tiefbewegende Begegnungen
mit Teilnehmern der Veranstaltung, aber auch mit unbeteiligten Menschen
ein und ich kann nicht sagen, welches die bedeutendste davon war:
Drei Sikh-Frauen spielten am Strand mit den Wellen. Die Farben
ihrer Saris harmonierten so wundervoll mit der Vielfarbigkeit
des Wassers. Ein ausgetauschter Blick, wenige Worte und wir fühlten
uns wie Schwestern.
|
 |
Über
viele Vermittlungen endlich vor Babaji Mohinder Singh, einem der Oberhäupter
der Sikh zu stehen, sein liebvoller Blick, seine Hände umschlossen
die meinen, seinen Segen zu empfangen und seine feste Zusage: "In
14 Tagen haben Sie eine Befürwortung für das Unitheum vorliegen.
Ich unterstütze das Projekt."
Bei einer Veranstaltung
im Kreis neben einer Frau zu sitzen, die weder Englisch noch Deutsch,
sondern nur Spanisch spricht, mit der Aufforderung, uns über eine
Frage auszu-tauschen. Anstatt sich einen gleichsprachigen Partner zu
suchen, entschieden wir uns über den wortlosen Austausch über
die Augen und mit dem Herzen - tief berührt, in Bewunderung und
in Erstaunen, mit Lachen und überfließenden Tränen gingen
wir einer inniger Umarmung nach fünf Minuten als Freunde auseinander.
Unerwartet ergab sich
ein Kontakt ohne Fremdheitsbarrieren in der Metro. Ein Mann aus Barcelona,
auch auf dem Weg zum Forum, sprach mich an und es stellte sich heraus,
dass er Deutsch sprach. Es gibt eine deutschsprachige ev.-luth. Gemeinde
in Barcelona und ich hatte die Gelegenheit kurz, so zwischen Tür
und Angel, vor der Morgenveranstaltung auch mit der dortigen Pastorin
zu sprechen. Sie halfen uns ganz einfach mit einer Blüte aus, weil
wir für den Universellen Gottesdienst keine Blumen bekommen konnten.
Diese Offenheit und Herzlichkeit war so beglückend und wohltuend.
Da gab
es eine Podiumsdiskussion mit 8 spirituelle Leiterinnen aus unterschiedlichen
Traditionen in ihrer vielfarben Kleidung. Doch es war keine Diskussion.
Sie sprachen wie aus einem Mund in verschiedenen Gesichtern: Es ist
die weibliche Qualität (gelebt von Männern und Frauen), die
zu Frieden führen wird - zu sehen und zu fühlen, was die andere
Person neben einem benötigt - die eigenen Interessen und Bedürfnisse
teilweise in Liebe zurückzustellen wie es eine Mutter für
ein Baby tut. Es ist das gleiche, was auch Hazrat
Inayat Khan vor etwa hundert Jahren sagte: "Ich sehe es
klar wie Tageslicht, dass die Stunde kommt, in der [das Wesen der] Frau
die Menschheit zu einer höheren Entwicklung führen wird. Und
es ist Frau und Mann zusammen, die die Evolution komplett machen werden."
Jetzt ist es an der Zeit das zu tun und zu leben, anderenfalls besteht
die Gefahr, dass diese Botschaft für ein weiteres Jahrhundert in
den Untergrund geht.
Besonders berührt
hat mich ein junger Medizinstudent aus Nepal,
der um Unterstützung des Friedens für Nepal bat - als Privatperson,
ohne Organisation im Hintergrund, mit warmen milden Augen und einem
offenen Herzen, ohne farbenprächtige Glanzbroschüren... Es
war sein persönliches Anliegen und er trug es auf seinen schmalen
Schultern. Wer sich an der Petition beteiligen möchte kann das
auch über Internet tun: http://www.PetitionOnline.com/sushil/
Die 15 Peacemakers aus
dem Heiligen Land zu erleben. Männer und Frauen, Christen Muslime,
Juden, Sufis und Druze setzen sich gemeinsam für den Frieden im
Nahen Osten ein und berichteten davon, was sie dazu bewegte. Vor einer
unbekannten Frau zu stehen, deren Sohn ermordet worden ist, deren Mann
getötet wurde und die verziehen hat und nichts dringender als Frieden
möchte, mit ihr gemeinsam zu weinen - nicht aus Trauer, sondern
weil man im Innern so bewegt ist - und sich gegenseitig in den Armen
zu wiegen, ohne Worte, weil Worte da nicht mehr hinreichen...
 |
Prof. Meher Master-Moos, eine weltbekannt Mystikerin aus der Religion
Zarathustras, die ich aus Bombay kannte, war Teilnehmerin an einer
Podiumsdiskussion und eines Zeremoniells - welch herzliche Wiedersehensfreude!
|
Überraschenderweise
traf ich eine Frau aus Deutschland, zu der ich bereits seit einiger
Zeit Kontakt aufnehmen wollte. Sie arbeitet für URI (United Religions
Initiative) und die Deutschen Muslim-Liga in meiner Nähe. Ich freue
mich auf weitere Begegnungen mit ihr und bin neugierig darauf, welche
Zusammenarbeit möglich sein wird.
Neben einer "skurril"
erscheinenden Frau im Flugzeug zu sitzen, die absolut nichts mit Religion
im Sinn zu haben schien, und dann jedoch ihr erwachtes Interesse an
dem zu spüren, was hinter der Idee des Unitheum steht, so dass
die Strecke zwischen Marseille und Frankfurt "wie im Flug"
vergeht...
Es gab noch -zig weitere Begegnungen, die die Stimmung, die beim Parlament
der Weltreligionen vorherrschend war, wiedergeben könnten. Die
Offenheit, das Mitgefühl und der liebevoll Umgang miteinander,
das Teilen ohne Ellenbogen, waren so heilsam. Aufgeladen mit dieser
Energie, mit der Erfahrung, dass so etwas möglich ist und der Hoffnung,
dass es sich in Windeseile über die ganze Welt verbreiten möge,
gibt neue Kraft für die Arbeit, die getan werden muss.
Welches Potential liegt darin...
Ich bin so dankbar und glücklich, dass ich das Unitheum beim Parlament
der Weltreligionen vertreten durfte, ob wohl es körperlich eine
harte Arbeit war, die 300 Prospekte und das übrige Informationsmaterial
diese 3 Tage durch die Gegend zu schleppen, die vielen Gespräche
in einer mir ungewohnten und nicht gut gesprochenen Sprache zu führen
und all die vielen Eindrücke aufzunehmen. Es kam mir vor wie ein
Traum, den man hinterher erst einmal anschauen, bedenken und verarbeiten
muss.
Es grüßt Euch von Herzen,
die Ihr denkt, sprecht und handelt in der Einstimmung auf Licht, Liebe
und Frieden,
Zamyat Gramann
|