Die Kirche hat nicht den Auftrag,
die Welt zu verändern.
Wenn sie aber ihren Auftrag erfüllt,
verändert sich die Welt.



Carl Friedrich Freiherr von Weizsäcker


geboren am 28. Juni 1912 in Kiel als Sohn eines Diplomaten, ist ein bekannter deutscher Physiker und Philosoph. Er ist Vater von drei Kindern und lebt nach dem Tod seiner Ehefrau bei seiner Tochter in Rott am Inn in Oberbayern. Sein Bruder ist der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker.

Carl Friedrich verbrachte seine Schulzeit in Wilhelmshaven, Stuttgart, Den Haag, Basel, Kopenhagen sowie Berlin. 1929-1933 studierte er Physik, Astronomie und Mathematik an den Universitäten Berlin, Göttingen und Leipzig, u.a. bei Niels Bohr und Werner Heisenberg, der ihn stark geprägt hat und dessen persönlicher Freund er war.

Während der Promotion und Habilitation in Leipzig beschäftigte sich Weizsäcker intensiv mit der Kernphysik, wovon uns bis heute die Bethe-Weizsäckersche Massenformel erhalten blieb, welche das Verhältnis der Kernmassen und Bindungsenergien zur Anzahl der Protonen und Neutronen stabiler oder instabiler Atomkerne angibt.

Während des Zweiten Weltkrieges war er nicht nur Professor für Theoretische Physik in Berlin und Straßburg, sondern zudem in der deutschen Uranforschung tätig und auf diese Weise am Atomwaffenprojekt der Nationalsozialisten beteiligt. Welche Versuchung in der Verbindung zwischen Wissen und Macht und der illusionären Hoffnung auf politischen Einfluss liegen konnte, hatte der kurze Wahnglaube an Hitlers Steuerbarkeit durch eine Atomelite gezeigt. Durch die bald erkennbare Aussichtslosigkeit des Bombenprojekts, was er nachträglich als "göttliche Gnade" empfand, sei er vor diesem Irrtum gerettet worden, wie er rückbetrachtend erleichtert eingestand. Um so eindrucksvoller, was Carl Friedrich von Weizsäcker aus seinen reichen und gefahrvollen Gaben gemacht hat.

Von 1946 an war er elf Jahre lang Abteilungsleiter am Max-Planck-Institut für Physik in Göttingen und Honorarprofessor an der dortigen Universität. Im selben Jahr präsentierte er eine Theorie zur Entstehung des Planetensystems.

Aus den Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges heraus setzte sich Weizsäcker in den fünfziger Jahren verstärkt mit der politischen und gesellschaftlichen Verantwortung und Ethik des Wissenschaftlers im Atomzeitalter auseinander. Als die Bundeswehr mit taktischen Atomwaffen ausgerüstet werden sollte, initiierte und formulierte er im April 1957 mit Otto Hahn und anderen Kernforschern das aufsehenerregende "Manifest der Göttinger Achtzehn", in welchem sie sich vehement gegen eine deutsche Atombombe aussprachen. Es platzte mit der Forderung eines freiwilligen Verzichts der Bundesrepublik auf den Besitz von Kernwaffen in die Atomeuphorie und führte zum politischen Eklat. Während des Kalten Krieges wandelte sich Weizsäcker zunehmend vom Physiker-Philosophen zum "Friedensforscher".

Wissenschaft und politische Moral sind nach Ansicht von Carl Friedrich von Weizsäcker unzertrennbar im Zeitalter der Atombombe, der Informationstechnik und der Genmanipulation. Beides ruht für ihn auf dem "Quellgrund religiöser Erfahrung", wobei er sich den Grenzen des Individuums bewusst ist:

"Nicht Optimismus, aber Hoffnung habe ich zu bieten."

Von 1957 bis 1969 lehrte er in Hamburg Philosophie (Schwerpunkt: Platon und Kant). In diese Zeit fallen Weizsäckers Äußerungen zur Entwicklung von Sternen (1959) und zu einer ganzheitlichen, Mensch und Natur mit einbeziehenden Weltformel (1966). Gleichzeitig leitete er zehn Jahre die Deutschen Gesellschaft für Friedens- und Konfliktforschung, die sich mit Kriegsverhütung und der Ernährungslage in der Welt befasste. Einige Jahre später übernahm er den Vorsitz im Verwaltungsrat des Deutschen Entwicklungsdienstes. Weizsäcker verließ die Hansestadt, um Direktor des des eigens für ihn geschaffenen Max-Planck-Instituts zur Erforschung der Lebensbedingungen der wissenschaftlich-technischen Welt in Starnberg zu werden, das er gemeinsam mit dem Philosophen Jürgen Habermas leitete (u. a. arbeitete hier Herbert Marcuse). Themen wie die Gefahr eines Atomkrieges, die Umweltzerstörung oder der Nord-Süd-Konflikt standen im Mittelpunkt der Forschungen.

Bis dahin setzte er sich vor allem mit den ethischen Problemen der Naturwissenschaften und mit Fragen einer humanen Zukunftsgestaltung auseinander. Dabei versuchte er, sein physikalisches Weltbild in ein Gesamtkonzept von Wirklichkeit zu integrieren (Die Einheit der Natur, 1971). Außerdem interessierte ihn im Bereich der Mikrophysik vorrangig die Frage nach den Bindungsenergien von Atomkernen und im Bereich der Makrophysik das Problem von Energieabgabe und -verteilung bei Sternen. Seine Aktivitäten nach dem Krieg verkörpern im Grunde seinen philosophischen Kern der Einheit von Wahrnehmen und Handeln.

Im Mai 1979 hätte Willy Brandt den Physiker und Philosophen gern für die Wahl zum Bundespräsidenten nominiert, was dieser jedoch ablehnte. 1984-94 übernahm dann sein Bruder Richard dieses Amt.

Als Weizsäcker wenige Monate später aufgrund seines Alters in den Ruhestand versetzt wurde, bedeutete dies für ihn keineswegs das Ende seines Schaffens. Als Vortragsreisender und Autor vertrat er einen "radikalen Pazifismus als das christlich einzig Mögliche". Eine "Weltversammlung der Christen für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung" hatte er in den späten achtziger Jahren organisieren wollen. Es war das immer stärker religiös werdende Bemühen, die Einheit einer Welt zu denken, die in egoistischen Interessen und widerstreitenden Kulturen auseinanderzufallen droht. Auch solche ökumenischen Integrationsbestrebeungen genügten seinem Universalitätsbedürfnis noch nicht, das zeigt Weizsäckers Eintauchen in die tiefgehenden Erfahrungen der verschiedenen Weltreligionen, besonders der fernöstlichen Mystik, die er dann wiederum mit Platons esoterischer Metaphysik zusammenbrachte.

kurzes Interview

Es erschienen etliche Bücher, unter ihnen Einheit der Natur Überlegungen zum sozialen und biologischen Ursprung des Menschen (1971), Wahrnehmung der Neuzeit sowie Der Mensch in seiner Geschichte. In einer Reihe weiterer Schriften, darunter Fragen zur Weltpolitik (1975), Bewusstseinswandel (1988) und in seinem philosophischen Hauptwerk Zeit und Wissen (1992) legte er seine Positionen dar.

1958 wurde ihm die Max-Planck-Medaille verliehen
1961 wurde er in den Orden Pour le mérite für Wissenschaft und Künste aufgenommen
1963 folgte der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

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